Regulieren sich Wölfe selbst?


Medienmitteilung des Verein CHWOLF vom 24. Januar 2021


Am 7. Januar wurde ein toter Wolf bei Ilanz/Glion gefunden. Das zuständige Amt für Jagd und Fischerei Graubünden geht davon aus, dass die vermutlich fremde Wölfin, vom dort ansässigen Ringelspitz-Rudel gerissen wurde, also bei einem Revierkampf ums Leben kam. Dieses Ereignis löste in der Bevölkerung und auch in den Sozialen Medien eine hitzige Diskussion aus, ob sich Wölfe selbst regulieren.

Eine selbst oder natürliche Regulation eines Wolfsbestandes ist von verschiedenen Faktoren abhängig.
Hierzu einige Erklärungen:

Ein Wolfsrudel besteht bei uns aus ca. 8 – 10 Tieren. Dies sind die Elterntiere, welche ein Leben lang zusammenbleiben, die Welpen und 1 - 3 Jungwölfe der Vorjahre, welche noch nicht abgewandert sind und bei der Welpenaufzucht mithelfen. Eine Wolfsfamilie lebt stationär und benötigt bei uns je nach Nahrungsvorkommen ein Territorium von 150 – 300 km2. In diesem Territorium lebt nur eine Wolfsfamilie. Das Revier wird kontinuierlich markiert und gegen fremde Wölfe vehement verteidigt. Die Jungtiere wandern meist mit 10 – 22 Monaten vom elterlichen Rudel ab, um sich einen Partner/Partnerin zu suchen und in einem neuen Revier eine eigene Familie zu gründen. Dabei können sie in kurzer Zeit sehr weite Distanzen zurücklegen. Bei diesen Abwanderungen kann es vorkommen, dass ein Jungwolf durch ein bereits besetztes Territorium wandert und so vom dort heimischen Rudel vertrieben oder gar getötet wird. Ganz selten kommt es vor, dass ein fremder Wolf in einem bereits bestehenden Rudel Anschluss findet und akzeptiert wird. In unserer dicht genutzten Kulturlandschaft kommt es viel häufiger vor, dass die unerfahrenen Jungwölfe im Strassen- oder Schienenverkehr ums Leben kommen. Je mehr Rudelgebiete bereits besetzt sind, desto schwieriger wird es für Jungwölfe ein geeignetes und noch freies Revier zu finden.

Ab einer gewissen Rudeldichte wird es zu einer natürlichen Regulation der Wölfe kommen

Die Wolfspopulation in der Schweiz befindet sich mitten im Wachstum. Zurzeit leben bei uns 9 bestätigte reproduzierende Wolfsfamilien. Dazu kommen das Calanda- und das Morobbia-Rudel, welche das 2. Jahr in Folge keine Welpen aufgezogen haben und deren Weiterentwicklung offen ist. Zusammen mit den diversen Einzelwölfen sind dies geschätzt zwischen 100 – 120 Wölfe. 6 Rudel leben im Kanton Graubünden, 1 Rudel im Glarnerland, 1 Rudel im Tessin, 2 im Wallis und 1 Rudel im Waadtländischen Jura. Im Unterwallis wird ein weiteres Rudel vermutet.

Bei unserer aktuellen Wolfsituation gibt es somit noch genügend freie Gebiete und Wanderkorridore und Revierkämpfe kommen noch sehr selten vor. Dies kann sich ändern, sobald in einer Region alle möglichen Rudelgebiete besetzt sind. Die Grösse eines Reviers ist stark nahrungsabhängig. Wird in einem Revier die Nahrung für das ganze Rudel knapp, wird das Rudel versuchen sein Territorium zu vergrössern. Ist dies nicht möglich, da alle benachbarten Gebiete bereits durch andere Rudel besetzt sind, kann es vermehrt zu Revierkämpfen kommen. Wölfe regulieren sich jedoch nicht nur durch ihre sozialen Strukturen und ihr territoriales Verhalten, sondern sie werden auch indirekt durch das Nahrungs­angebot und die Umweltbedingungen reguliert. Gibt es zu wenig Nahrung, ist es auch möglich, dass die Jungtiere früher abwandern müssen. Ein schlechter Ernährungszustand der Eltern­tiere führt zudem zu geringerer Nachkommenszahl und grösserer Welpensterblichkeit. Harte Umwelt­bedingungen reduzieren ebenfalls die Lebenserwartung. Die Rudelgrösse nimmt damit ab. Dies führt dann in der Folge zu weniger Nahrungsdruck und einer Erholung der Wildbestände in dieser Region. Die Erholung der Nahrungsquellen führt dann langfristig wiederum zu einem erneuten Anwachsen der Anzahl der Wölfe usw. Es besteht also ein natürlicher, sehr langsamer Regulierungsprozess. Lebensraum und Tiere bilden ein kompliziertes Gefüge, das sich wechselseitig beeinflusst und damit reguliert.

 

Medienmitteilung vom 24.01.2021 als pdf

 

Weitere Informationen und Auskünfte:

Christina Steiner, Präsidentin Verein CHWOLF

c.steiner@chwolf.org,  www.chwolf.org

 

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