Stellungnahme des Vereins CHWOLF zur Abschussverfügung für zwei Jungwölfe des Clandarudels durch die Kantone Graubünden und St.Gallen vom 21.12.2015


Am 21.Dezember 2015 wurde vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) die Zustimmung zum Abschuss­gesuch der Kantone GR und SG für zwei Jungwölfe aus dem Calandarudel gegeben.
Gleichentags hat der Kanton Graubünden eine Abschussbewilligung erteilt. Diese ist gemäss JSV maxi­­mal bis zum 31. März 2016 gültig.

Stellungnahme

CHWOLF ist über den Zustimmungsentscheid des BAFU und das überstürzte Vorgehen der Kantone Graubünden und St.Gallen sehr enttäuscht. Ein Abschuss ist grundsätzlich der falsche Weg ein Zu­sam­men­leben mit der Natur und das Vertrauen in Wildtiere zu fördern. Im speziellen ist es bei einem so jungen Rudel, der kurzen Erfahrungsdauer mit dem Verhalten der Wölfe und dem noch sehr kleinen Wolfbestand in der Schweiz völlig unangebracht, die letzten verfügbaren Mittel anzuwenden. Keine der angeführten sogenannten Auffälligkeiten stellte eine Gefährdung dar noch konnte je ein nur ansatzweise aggressives Verhalten eines Wolfes festgestellt werden. Mit dem aktuellen Vorgehen wird der Bevölkerung die aktuelle Situation und das Verhalten der Wölfe als falsch und untolerierbar präsentiert. Das schafft weiteres Misstrauen und bestärkt vorhandene Vorbehalte. Die Behörden zeigen auf diese Weise vor, dass kleinste Problemstellungen nur mit der Waffe zu lösen sind – ein äusserst fragwürdiges Beispiel! Denn man sollte einmal ehrlich sein und sich die reale Gefährdung durch den Wolf im Vergleich zu allen anderen tagtäglichen Risiken und Gefährdungen vor Augen führen! (vergleiche dazu die Gefährdungsgraphik von CHWOLF)

CHWOLF ist jedoch sehr froh, dass das BAFU seine Zustimmung an klare Empfehlungen geknüpft hat. Diese sind (Originalwortlaut):

  • Es sollen nicht zwei Wölfe gleichzeitig geschossen werden, sondern jeweils nur ein Wolf, und zwar dann, wenn die anderen Rudeltiere dabei sind.
  • Der Abschuss soll in Siedlungsnähe erfolgen.
  • Der Abschuss soll während der Altivitätszeit der Menschen erfolgen.
  • Nachdem ein Wolf abgeschossen wurde, soll das Verhalten des Rudels verstärkt beobachtet und dokumentiert werden.

Bei der strikten Einhaltung dieser Empfehlungen durch die Kantone GR und SG wäre zumindest einiger­massen sichergestellt, dass bei einem Abschuss eines Tieres eine potentiell mögliche Ein­wir­kung auf das Verhalten der restlichen Rudelmitglieder erfolgen könnte. Werden diese sachlichen Voraussetzungen des Bundes jedoch nicht vollständig eingehalten, ist das ohnehin fragliche Vor­gehen mit dem Abschuss von vornherein völlig sinnlos und im Grunde auch unzulässig.

Leider haben die Kantone Graubünden und St. Gallen sämtliche nicht-letalen Mittel bisher nicht mit dem notwendigen Aufwand und der erforderlichen Konsequenz angewendet resp. propagiert. Als Grund wird die Unwirksamkeit der Mittel, der zu hohe Aufwand und die fehlende Praktikabilität an­geführt. Gleichzeitig wird aber der Einsatz von letalen Mitteln als einzig wirksam und erfolg­ver­sprech­end dargestellt und der selbe dafür notwendige Aufwand scheinbar vorbehaltlos akzeptiert.

CHWOLF wird das weitere Vorgehen der Kantone GR und SG und das Einhalten der Empfehlungen genau beobachten und ist auch sehr dankbar, wenn Anwohner und Besucher aus dem Gebiet ihre diesbezüglichen Beobachtungen und Feststellungen an uns weitergeben. Sollte der Eingriff in das bisher intakte Rudel zu negativen Folgen im Verhalten der Wölfe und einer Zunahme von Problemen führen, so hätten die Kantone GR und SG dies zu verantworten und müssten dafür dringend zur Rechen­schaft gezogen werden.

Der Kanton Graubünden hat das Protokoll der bemängelten Auffälligkeiten veröffentlicht. Wir werden die darin aufgelisteten Vorkommnisse anhand der verfügbaren Beschreibung aus unserer Sicht und mit unserem Wissen analysieren und beurteilen und allenfalls eine Stellungnahme verfassen.

Es besteht noch die grosse Hoffnung, wenn die Kantone GR und SG die Empfehlungen des Bundes seriös und vollständig einhalten, sich eine zulässige Situation für einen Wolfabschuss nicht eröffnen wird.

Unsere Forderungen

CHWOLF fordert, dass vor allem die nicht-letalen Mittel zur Vergrämung und Verscheuchung mit derselben Konsequenz und Intensität angewendet und umgesetzt werden. Im Bereich „Umgang mit der Natur und unseren heimischen Wildtieren“ muss von den Behörden vertrauensbildend agiert werden und die Bevölkerung muss in diesen dauerhaften Prozess des Zusammenlebens aktiv und auch unter Eigenverantwortung mit eingebunden werden.

Erläuterungen zur Wirksamkeit von menschlichen Einflussnahmen

Wie das Bundesamt für Umwelt mit seinen klaren Empfehlungen zum Ausdruck bringt, kann die An­wen­dung von letalen Mitteln zur Erhöhung der Scheue von Wildtieren nur bei sorgfältiger Einhaltung der notwendigen Rahmenbedingungen überhaupt potentiell erfolgsversprechend sein. Die Tiere müssen in der gegebenen Situation die richtigen Verknüpfungen zwischen sich, dem Menschen und Siedlungsnähe herstellen können, damit aus der schlechten Erfahrung eine Konditionierung entsteht die nachhaltig wirkt.

Um das Verhalten von Einzeltieren oder einem Rudel zu beeinflussen, muss also eine gewisse Kondi­tionierung erzielt werden. Dies kann auf zwei Arten versucht werden:

mit nicht-letalen Mitteln:    Bei dieser Methode kann auch das direkt betroffene Tier die negative Erfahrung
                                           weitertragen und durch sein Verhalten weitergeben.

mit letalen Mitteln:             Bei dieser Methode hat das direkt betroffene Tier keinen weiteren Einfluss mehr.
                                          Ausschliesslich die aus der momentanen Situation ent­stehende Erfahrung der
                                          anderen, nicht direkt betroffenen Tiere des Rudels, kann einen konditionierenden
                                          Charakter haben.

Für beide Methoden gelten jedoch die gleichen Voraussetzungen, nämlich die Schaffung der für die Wirksamkeit notwendigen Rahmenbedingungen.

Wie allgemein bekannt und belegt ist, bedarf es für eine Konditionierung meist einer gewissen Anzahl Wiederholungen. Diese notwendigen Wiederholungen zu erzielen ist mit letalen Mitteln sehr viel schwieriger als mit nicht-letalen. Es ist somit mehr als fraglich, ob ein Abschuss auch unter Einhaltung all der erwähnten Bedingungen überhaupt langfristig wirksam sein kann. Von den möglichen Neben­effekten eines Eingriffes in das Sozialgefüge eines Rudels ganz abgesehen.

>>>  gesamte Stellungnahme als Pressemitteilungdes Vereins CHWOLF vom 24.12.2015 als pdf

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